In der letzten Woche wurde die Gedenktafel für die während des Nationalsozialismus internierten Sinti und Roma im Zwangslager Kruppstraße in Frankfurt antiziganistisch beschmiert. Diese Tat ist sowohl ein Angriff auf die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus, als auch ein Angriff auf die grundlegenden Werte einer Demokratie, wie Gleichheit, Toleranz und Menschenwürde.
Die Frankfurter Bürgermeisterin Dr. Nargess Eskandari-Grünberg bezieht Stellung:„In den vergangenen Wochen ist dies ein weiterer Vorfall mit Schmierereien an einem Gedenkort in Frankfurt. Wir als Stadt verurteilen diese Verschandelung von diesem so wichtigen Ort und hoffen, dass die Verantwortlichen gefunden werden. Es ist auch ein Ort, an dem aufgrund starken bürgerschaftlichen Engagements eine Gedenktafel aufgestellt wurde — umso wichtiger ist die Aufarbeitung solcher Vorfälle.“
Die Gedenktafel an der U‑Bahn-Station Kruppstraße wurde im Jahr 1994 auf Initiative des Hessischen Landesverbands Deutscher Sinti und Roma in der Kruppstraße angebracht. Sie soll die Öffentlichkeit an das nahe gelegene ehemalige Zwangslager und die vor Ort begangenen Verbrechen erinnern und mahnen.
Rinaldo Strauß, stellvertretender Geschäftsführer des Hessischen Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma, verurteilt die Tat: „Der Rechtsstaat muss dafür Sorge tragen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Dies ist er den Opfern des Völkermordes schuldig. Meine Mutter war selbst im Lager in der Kruppstraße interniert und es schmerzt mich daher besonders, dass es noch immer Menschen gibt, die das Leid und den Schmerz der Opfer und deren Nachfahren rechtfertigen und verharmlosen.“
Diese Tat reiht sich ein in eine Serie von Beschädigungen und Beschmutzungen von Orten der Erinnerung mit antiziganistischem Motiv. Bereits im letzten Jahr wurde eine Skulptur aus Holz und Metall, die an das Zwangslager in der Kruppstraße erinnert, von Unbekannten umgeworfen. Erst vor zwei Wochen kam es auf dem Darmstädter Waldfriedhof zu Verwüstungen mehrerer Grabstellen von u.a. Gräbern Überlebender des Völkermords und deren Nachfahren. Aber nicht nur in Hessen, sondern auch in anderen Bundesländern kommt es immer wieder zu Vorfällen dieser Art. So wurde im Mai in Flensburg ein Mahnmal demoliert, welches der Zwangsumsiedlung und Deportation der Flensburger Sinti und Roma während des NS gedenkt.
Solche Vorfälle sind Ausdruck eines noch immer tief sitzenden Antiziganismus in der Gesellschaft. Sie verdeutlichen die Notwendigkeit von Bildung und Aufklärung über das Thema. Joachim Brenner, Vorstand des Fördervereins Roma e. V., macht deutlich:„1233 Vorfälle sind für das Jahr 2023 von der Melde- und Informationsstelle Antiziganismus dokumentiert worden. Die Hakenkreuz Schmierereien im Iduna Zentrum Göttingen, wo Roma-Flüchtlinge leben, reihen sich in die Schändung der Gedenkstätten und Mahnmale, in die tägliche Ablehnung und Verachtung und schließlich in die Morde im Olympia Einkaufszentrumin München und in Hanau ein. Der Schutz von Roma und Sinti steht hier ebenso im Vordergrund, wie die Verfolgung und Ahndung der Täter.“
Das städtische Zwangslager in der Kruppstraße diente von 1942 bis 1945 der Internierung von Sinti und Roma und löste damit das 1937 bis 1942 betriebene Zwangslager in der Dieselstraße ab. Die Stadtverwaltung pferchte dort die in Frankfurt lebenden Sinti und Roma nach rassistischen Kriterien mit dem Ziel ein, sie letztlich ganz aus dem Stadtgebiet zu vertreiben. Später wurde das Lager zu einem Sammelort für verschiedenste Menschen aus dem gesamten Rhein-Main-Gebiet. Von den ca. 180 internierten Sinti und Roma im Lager wurden mehr als die Hälfte im März 1943 nach Auschwitz deportiert.
Der Hessische Landesverband hat bereits Anzeige erstattet.
Die Melde- und Informationsstelle Antiziganismus Hessen (MIA Hessen), eine Kooperation des Hessischen Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma und des Förderverein Roma zur Erfassung, Dokumentation und Auswertung antiziganistischer Vorfälle, hat den Fall zur Bearbeitung aufgenommen. Die Stadt Frankfurt hat Maßnahmen ergriffen, um die Schmiererei zu entfernen. Zudem wird ein Aufruf an die Bevölkerung gerichtet, Hinweise auf mögliche Täter*innen bei der Polizei zumelden.
Für weitere Informationen oder Rückfragen wenden Sie sich gerne an den Hessischen Landesverband: Mail: verband@sinti-roma-hessen.de Tel.: 06151–377740 Erreichbar von Mo-Do 10–16 Uhr, Fr 10–14 Uhr
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