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Differenzierter Diskurs statt antiziganer Stereotype! – BVSR protestiert gegen Markus Lanz Sendung vom 25. Februar mit einem offenen Brief

Sehr geehrter Herr Lanz,

Sehr geehrte ZDF-Redaktion,

In Ihrer Sendung vom 25. Februar 2025 wurde die Thematik der aktuellen Regierungsbildung vor dem Hintergrund gesellschaftspolitischer Herausforderungen, insbesondere die der Migration, diskutiert. Diese Debatten erfordern dabei unbedingt eine differenzierte und reflektierte Auseinandersetzung, insbesondere wenn es sich dabei um eine Minderheit handelt, die wie wir heute zum 80. Gedenktag erinnern, im Nationalsozialismus aus rassistischen und diskriminierenden Gründen verfolgt, ausgegrenzt und als „minderwertig“ ermordet worden ist.


In diesem Zusammenhang wurde unter anderem die Aussage von Frau Anne Hähning, (Redakteurin der Zeit) getätigt, dass 80 % der deutschen Bevölkerung der Ansicht seien, Deutschland sei mit der Anzahl neuer Migrant:innen überfordert. Sie betonte dabei v.a. die Notwendigkeit, sprachlich sauber zu differenzieren und sicherzustellen, dass Menschen mit Migrationsgeschichte in Deutschland nicht pauschal als Problemgruppe dargestellt werden.


Diese Sensibilität ließen Sie in ihrer Sendung leider gänzlich vermissen Herr Lanz!


Insbesondere die Art und Weise, wie in der Sendung über Sinti und Roma gesprochen wurde, bedarf einer kritischen Reflexion. In der Diskussion wurde dies deutlich, als die Darstellung sozioökonomischer Herausforderungen in bestimmten Städten mit generellen Antiziganismus-Vorwürfen verknüpft wurde, ohne die spezifischen historischen und gesellschaftlichen Hintergründe adäquat zu berücksichtigen.


Des Weiteren wurde der Begriff „Antiziganismus“ in einer Weise verwendet, die suggerierte, er beziehe sich auf Sinti und Roma als vermeintliche „Z“, anstatt ihn als analytisches Konzept zur Beschreibung historischer und gegenwärtiger Diskriminierung zu verstehen, die versucht, gerade diese gesellschaftlichen Projektions- und Marginalisierungsmechanismen offenzulegen und anzuprangern, die sie in Ihrer Sendung vom 25. Februar reproduzierten. Sie haben den Begriff in Ihren Ausführungen tatsächlich Sinti und Roma übergestülpt, obwohl der gesellschaftlich konstruierte „Zigeuner“ eben gerade nicht diesen exotischen Vorstellungen des „primitiven Wilden“ entspricht. Die Zusammenführung von „Sinti und Roma“ mit dem universellen Begriff „Ausländer“ verstärkt zudem die problematische Wahrnehmung dieser Gruppen als nicht-zugehörig, obwohl deutsche Sinti eine autochthone Minderheit mit tiefen historischen Wurzeln in Deutschland

sind.


Herr Lanz,

Die Reduktion komplexer Sachverhalte auf eine vermeintlich monokausale Ursache, stellt ein bekanntes Muster diskriminierender und rassistischer Narrative dar.


Wir sind zur überwiegenden Mehrheit deutsche Sinti und Roma und leben seit über 600 Jahren in Deutschland. Deutschland ist unsere Heimat. Viele unserer Urgroßväter dienten im Ersten Weltkrieg und unsere Großväter kämpften bis 1943 im Zweiten Weltkrieg für dieses Land, bevor sie aufgrund der Nürnberger Rassengesetze nach Auschwitz deportiert wurden. Besonders bei deutschen Sinti und Roma, stellen Diskriminierungspraxis und Ausgrenzung in diesem Land eine über 500-jährige Kontinuität dar, die viele unserer Communities bis heute mit ihrem Leid und ihren prekären sozialen Lagen ratlos alleine lassen. Besonders besorgniserregend war in diesem Kontext ihr Ausdruck „herumlungernde Kinder“ und die problematisierende Darstellung der Bildungssituation.


Gerade diese realitätsverzerrenden Darstellungen in öffentlichen Veranstaltungen und auf Social-Media-Kanälen erzeugen irreführende Bilder und einseitige Projektionen gesellschaftlicher Fehlentwicklungen auf die betroffenen Gruppen. Die Gefahr solcher Rhetoriken besteht darin, dass sie Vorurteile verstärken und bestehende gesellschaftliche Ausgrenzungsmechanismen legitimieren, anstatt eine sachliche und lösungsorientierte Diskussion zu fördern.


Herr Lanz,

um ehrlich zu sein hat ihre Sendung vom 25.02.2025 viele Angehörige unserer Communities sehr verärgert und wütend gemacht! Mehr noch – mit ihren unreflektierten Darstellungen und ihrer unsensiblen und achtlosen Rhetorik haben sie viele enttäuscht und die Würde unserer Integrität ein weiteres Mal beschämt! Viele sind sprachlos geblieben, gegenüber ihrer Darstellung, denn es fehlen die Worte…


Es sind nicht nur Wir, Herr Lanz, nicht nur die Angehörigen, die sie hier öffentlich entstellen! Die Unachtsamkeit und Respektlosigkeit solcher Darstellungen treffen die Gesellschaft wie ein Bumerang in ihrer vollen Gesamtheit. Sie verhöhnt all die Demokratinnen und Demokraten, all die Mitstreiterinnen und Mitstreiter, die in den letzten Jahren alles gegeben haben, damit sich an diesen wichtigen Stellen endlich etwas ändern kann. Diesen Leuten, die gerade auch Ihren Kampf führen, Herr Lanz, die diesen Kampf für uns alle führen, Tag für Tag, ehrenamtlich und oft ohne Gegenlohn, spucken Sie mit ihren drei Sätzen offen ins Gesicht – denn sie alle wissen, dass sie allein keine Chance haben, gesellschaftlich etwas zu ändern, zu einen, und zu versöhnen – und sie machen trotzdem jeden Tag weiter – und dafür sollte jeder von uns dankbar sein!


Herr Lanz,

Wir möchten Sie daher bitten: Stellen Sie die Dinge richtig und seien sie respektvoll mit der ohnehin schon fragilen Demokratie, die wir alle versuchen wollen zu schützen und zu verteidigen!


Kommen Sie zu uns und führen Sie mit uns ein gemeinsames Reflektionsgespräch – Wir laden Sie gerne ein!


Wir laden Sie hiermit offiziell ein, sich zusammen mit unseren Kolleginnen und Kollegen, zusammen mit Expert:innen der Bekämpfung von Diskriminierung und Rassismus, zusammen mit uns als Angehörige der deutschen Sinti, als auch Roma, in einem Sensibilisierungsgespräch auszutauschen. Eine solche Reflexion kann dazu beitragen, zukünftige Diskussionen differenzierter zu gestalten und diskriminierende Strukturen in der medialen Berichterstattung zu vermeiden.


Wir sind überzeugt, dass eine journalistische Verantwortung darin besteht, historische Kontinuitäten der Ausgrenzung zu erkennen und diesen bewusst entgegenzuwirken!


Mit freundlichen Grüßen,

Für die Bundesvereinigung der Sinti und Roma





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