Pressemitteilung vom 19.12.2023
Der Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg (VDSR-BW) ist der wohl größte Landesverband der nationalen Minderheit der deutschen Sinti und Roma und seit 2013 durch den ersten, europaweit als Vorbild geltenden und als Landesgesetz verabschiedeten Staatsvertrag der Partner des Landes Baden-Württemberg in allen Sinti und Roma betreffenden Belangen.
Seit 2020 bekannt wurde, dass die Deutsche Bahn – Nachfolgerin der Organisation, deren Züge unsere Angehörigen in den Tod deportierten – und der Senat von Berlin Pläne für ein Bauvorhaben (S 21) verfolgen, das das unweit des Reichstagsgebäudes gelegene Denkmal für die im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Sinti und Roma Europas, für das wir jahrzehntelang gekämpft haben, beschädigen könnte, setzen wir uns gemeinsam mit etwa 50 Organisationen der Sinti und Roma aus Deutschland und Europa gegen die Zerstörung eines würdigen Gedenkens ein. In zahlreichen Gesprächen der vergangenen Jahre, zuletzt am 28. September 2023, sicherten der Senat von Berlin und namentlich die Verkehrssenatorin eine Einbeziehung aller größeren Organisationen der Sinti und Roma zu, um einen für alle Betroffenen gangbaren Weg zu finden. Dieses Versprechen wurde nun gebrochen.
Die ohne weitere Aussprache oder auch nur Information erfolgte, am 16. Dezember 2023 bekannt gewordene Ankündigung aus dem Haus der Berliner Verkehrssenatorin, den Bau der S 21 trotz aller Absprachen ohne einen Prozess der Einbindung aller Betroffenen voranzutreiben, ist ein erschütterndes Zeugnis eines bislang ungeahnten mangelnden Bewusstseins für die Verbrechen des Nationalsozialismus in unserem Lande – und das unmittelbar sowohl nach der Bundestagsdebatte über die zweite Schuld der Bundesrepublik angesichts der verweigerten Anerkennung, des fortdauernden Antiziganismus und der anhaltenden Diskriminierung von Sinti und Roma am 14. Dezember 2023 als auch nach der Gedenkstunde im Bundesrat am 15. Dezember 2023, mit der an den Himmler-Erlass vom 16. Dezember 1942 erinnert wurde, der zur Deportation aller deutschen Sinti und Roma in Zügen der Reichsbahn nach Auschwitz-Birkenau führte und den Völkermord vollendete. Diese mangelnde historische Sensibilität ist ein erinnerungspolitischer Skandal.
Ungeachtet der verkehrspolitischen Notwendigkeiten im Land Berlin kann eine solche Entscheidung nur in enger Abstimmung und im Zuge wiederholter Konsultationen mit allen relevanten Gruppen und Vertretungen der Sinti und Roma in Deutschland und Europa getroffen werden. Alles andere stellt eine Verletzung der Würde der Opfer und ihrer Nachkommen dar.
Der jüngsten Ankündigung ging kein erneuter Gesprächsprozess voraus. Um die Möglichkeit eines würdigen Gedenkens sicherzustellen, müssen die deutschen und europäischen Sinti und Roma eingebunden werden. Diese Community ist vielfältig und wird keineswegs nur durch eine Einrichtung vertreten. Die Familie des Künstlers Dani Karavan, des Schöpfers des Denkmals, hat bereits rechtliche Schritte angekündigt, die internationale Unterstützung aus der jüdischen Community erfahren werden. Auch die deutschen und europäischen Sinti und Roma werden keine Form des legitimen Protests und Widerspruchs unversucht lassen, um diesen der Erinnerungskultur der Bundesrepublik unwürdigen Vorgang zu verhindern oder aufzuhalten.
Wir sind für Gespräche offen und verstehen, dass wichtige öffentliche Güter gegeneinander abgewogen werden müssen. Aber diese Ankündigung unmittelbar nach der Bundestagsdebatte und am Tag des Gedenkens an den Völkermord ist eine Verhöhnung der Opfer.
Weitere Informationen und Stellungnahmen:
Aktuelles Interview mit Daniel Strauß:
Aktuelle Entwicklungen:
Auszüge aus der Vorgeschichte:
Kontakt:
Verband Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg e. V.
B7, 16 | 68159 Mannheim
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Emma Teuwen | presse@sinti-roma.com | +49 152 5333 7777
Wissenschaftlicher Leiter: Dr. Tim Müller | tm@sinti-roma.com | +49 170 533 6195
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